K I R M E S J O H A N N
von Marcel Hilgers
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Fahren Sie
einmal nicht an Langwaden vorbei, sondern die Dorfstraße entlang und
machen halt am Dorfplatz. Dort sehen Sie, im Schatten des Schützenbaums
die Statue eines Mannes im schwarzen Anzug samt Zylinder und hin und
wieder mit einer Rose in der Hand – unseren Kirmesjohann.
Jetzt stellt sich der ein oder andere die Frage, wozu dieser Mann dort
eigentlich steht. Der Schützenbaum ist klar, repräsentiert er doch
anhand seiner Wappen die einzelnen Züge des Dorfes.
Seit jeher ist bzw. war es Brauch, an Tagen wie Schützenfest sich eine
Art Legitimation für diese Tage zu besorgen. Nun dazu diente unser
Kirmesjohann.
Wie in anderen Dörfern, Städten und Gemeinden auch, wird das
Schützenfest im ganzbesondern Maße gefeiert, so freut sich doch ein
jeder Schütze ein ganzes Jahr auf diese vier Tage im Jahr. Das an
solchen Tagen auch die ein oder andere Sünde begangen wird, ist ohne
jeden Zweifel. Jetzt braucht man jemanden den man für diese Ausrutscher
verantwortlich machen kann, einen Sündenbock sozusagen.
Ein jeder kennt den Nubbel aus Köln zur Fastnachtzeit, den Hoppeditz aus
Düsseldorf oder den Zachäus bzw. Kirmespitter. Diese werden nach Ende
einer Saison für all die Sündenverantwortlich gemacht und erhalten Ihre
Strafe.
Mit dem Kirmesjohann verhielt es sich da ganz ähnlich: Jedes Jahr, wenn
es wieder so weit war Schützenfest zu feiern, wurde der Kirmesjohann
gesucht. Wenn Sie die Dorfstrasse bis ganz zum Ende durchfahren, werden
Sie auf ein Waldstück treffen. Nun, an jedem Samstag einer Saison
versammelten sich dort alle Junggesellen, um gemeinsam in diesen Wald zu
ziehen. Raus kommen durften sie erst, wenn sie den Kirmesjohann gefunden
hatten.
Ihn einmal gefunden, wurde er aus dem Waldstück gezerrt und der
Obrigkeit vorgeführt. Jetzt galt es, sich die Erlaubnis Kirmes feiern zu
dürfen, einzuholen. Auf die Fragen hin „Wie viele Tage Kirmes haben
wir?“ antwortete der Johann sparsam mit „Einen Tag Kirmes“. Um aber so
richtig Kirmes feiern zu können ist ein Tag bei weitem nicht genug. Mit
einem Hieb auf den Puckel wurden der Kirmesjohann etwas „großzügiger“
gestimmt. So hatte man nach dem ein oder anderen Hieb vier Tage Kirmes
und konnte mit dem Kirmesjohann, hoch erhoben auf dem Rücken einer
Leiter, ins Festzelt einziehen.
Nach
Aussagen von Zeitzeugen sollen sogar schon einige Male „Aach Tach Kirmes
und ene klene Nochschwärm“ gewährt worden sein.
Jetzt stand den Festtagen nichts mehr im Wege und man konnte ausgelassen
feiern. Am Ende der Kirmes musste jedoch der Kirmesjohann für die Sünden
der Schützen seinen Teil ableisten und dafür gerade stehen. In den
letzten Stunden der Kirmestage wurde unser Kirmesjohann in einem mit
Stroh ausgekleideten Grabe beigesetzt, um dann im nächsten Jahr wieder
im Waldstück am Ende der Dorfstasse neu „gefunden“ zu werden.
Nun das alles ist dem ein oder anderen in einer individuellen Art
sicherlich vertraut oder schon mal zu Ohren bekommen. Vielleicht stellen
Sie sich jetzt die Frage, warum unser Dorf diesem Kirmesjohann eine
Statue an einem so zentralen Platz errichtet hat. Die Antwort auf diese
Frage ist einfach:
Entgegen dem
Nubbel oder dem Hoppeditz, ist unser Kirmesjohann echt, oder besser
gesagt er war es. Ein Mensch aus Fleisch und Blut. Im bürgerlichen Leben
hieß er Johann Franzen und wohnte in der Nachbarstadt Wevelinghoven. Er
war ein von allen sehr gemochter und geschätzter Junggeselle der mit
seiner liebevollen Art die Herzen der Langwadener eroberte. Sein
Markenzeichen war sein schwarzer Frack samt Zylinder, mit dem er sich
auf Geburts - und Namenstagen sehen ließ, um seine Glückwünsche
persönlich übermitteln zu können. Die Tatsache, dass er mehrere Besuche
mit dem gleichen Blumenstrauß absolvierte ist eine seiner humorvollen
Seiten. Alles im allen war er eine
Persönlichkeit die sich tief in die Herzen der Langwadener Schützen und
Bürger eingebrannt hat. Leider geht diese Erinnerung mit den kommenden
Generationen verloren. Um sich aber stets an diesen Menschen und seine
Bedeutung für unser Schützenfest zu
erinnern, setzte der Jägerzug „Jong Boschte“ dieses einmalige und
wunderschöne Denkmal.
Wenn Sie also
das nächste Mal durch unser Dorf fahren, schauen Sie doch einmal in das
liebevolle Gesicht unseres Kirmesjohann und
erinnern sich ein klein wenig.
Hier können Sie die original Fassung des Autors als pdf.Datei
downloaden.
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